Lagavulin – Eine Seltenheit?

Der Fluch der Bekanntheit

Lagavulin, schon der Name zergeht dem Kenner auf der Zunge. Wenn dann der Single Malt über die Zunge rinnt, ist der Genießer im Single Malt Whisky Himmel. Doch wenn es nur soweit käme ... . Lagavulin ist fast überall ausverkauft. Und wenn man noch glücklich eine einzelne Flasche erwischt, kann sie schon einmal durch spekulierende Zeitgenossen über 60 EUR kosten. Viele Gerüchte wurden gestreut. Sei es über einen Brand im Lagerhaus oder über die Schließung der Brennerei. Seien Sie versichert: Nichts von alledem ist wahr. Lagavulin produziert rund um die Uhr mit Volldampf - was immer die Brennblasen hergeben.

Der Name Lagavulin steht für stark rauchigen Single Malt Whisky von der Insel Islay. Doch nicht nur aromatischen Rauch findet der Kenner in ihm. Auch mildere, fruchtige Sherryfass-Einflüsse und die Aromen von Seetang und Jod führen zu einem Geschmacks-Erlebnis, das fast einmalig ist. Wir sagen bewusst ‚fast’, da es mittlerweile einige Flaschen auf dem Markt gibt, die mit Lagavulin durchaus konkurrieren können. Sie finden sie am Ende dieses Artikels.

Die Brennerei Lagavulin gehört Diageo, dem größten Spirituosenkonzern der Welt. Wenn wir verstehen wollen, wie die Versorgung mit Lagavulin heute so rar werden konnte, müssen wir uns in die britische Geschichte der 70er Jahre zurück begeben. Der Zerfall des Commonwealth in den 50er Jahren im Zusammenarbeit mit verkrusteten Gesellschaftsschichten und fehlenden Reformen brachten Großbritannien an den Rand des Abgrunds. Das geflügelte Wort von ‚Großbritannien, dem kranken Mann Europas’ machte in den 70ern die Runde. Als die ‚eiserne Lady’ Maggie Thatcher 1979 gewählt wurde, setzte sie einen schmerzhaften Reform- und Privatisierungsprozess in Gang, der zunächst zu einem weiteren, starken Rückgang der britischen Wirtschaftsleistung Anfang der 80er führte.

Die heute 50 Jährigen unter uns können sich noch gut an die täglichen Nachrichten erinnern. Jahrelange Streiks, Grubenschließungen, Straßenschlachten und Brandschatzungen beherrschten die englischen Themen. Erst Mitte der 80er ging es mit Großbritannien wieder aufwärts. Das Geld blieb knapp in dieser Zeit und viele Brennereien schlossen in den 80ern. Lagavulin erging es besser. Sie konnten mit etwa einem Drittel der Kapazität weiter produzieren.

1993 wurden die Classic Malts of Scotland mit ihrem Flagschiff Lagavulin 16J auf den Markt gebracht. Lagavulin produzierte damals hauptsächlich für Blended Whisky wie den White Horse. Da Lagavulin mit 16 Jahren abgefüllt wurde, konnte man auf die großen Lager aus den 70ern zurück greifen. Die Qualität war hoch und die Lager ausreichend groß, um den Anlauf eines Malt Whiskys, von dem niemand zu dem Zeitpunkt den späteren, großen Erfold vorhersehen konnte, zu erfüllen.

Der erste Fehler in der Produktentwicklung erfolgte 1997 mit der Einführung der Distiller’s Edition der Classic Malts im Duty-free Markt. Durch den großen Erfolg der Classic Malts in den ersten 5 Jahren ihres Bestehens wurden die Begehrlichkeiten in der Konzernzentrale von United Distillers geweckt. Wenn man schon einen Lagavulin so gut verkaufen konnte, warum sollte man nicht einen zweiten, teureren parallel dazu verkaufen? Höhere Absatzmengen und höhere Margen mit eingeschlossen.

Man drehte an allen Marketing- und Absatzschrauben gleichzeitig, um die verkaufte Menge anzuheben. Lagavulin 16J wurde zudem weltweit eingeführt und die Distiller’s Edition platzierte man nicht nur im begrenzten Duty-free Markt, sondern man führte ihn ebenfalls in den großen Märkten der Welt ein. Die Absatzzahlen explodierten förmlich und im Jahr 2000 erreichte man mit 1,6 Mio. verkaufter Lagavulin Flaschen Platz 8 unter den Top 10 der Single Malt Whiskys.

Was sie dazu getrieben hat? Waren es Rückgänge im Blended Whisky Geschäft oder Wachstumsvorgaben durch die Börse? Wer weiß das schon?

Jeder im Konzern verkaufte hurtig. Doch in den Planungsabteilungen überprüfte niemand die Lagerhäuser, ob denn auch genug Fässer für dieses Vorgehen in der näheren Zukunft vorhanden wären. Man dachte nur in Quartalen und nicht in Jahren.

Das erste böse Erwachen in Deutschland erfolgte Weihnachten 2001. Lagavulin war vorübergehend aus! Niemand hatte damit gerechnet. Der große Erfolg auf dem deutschen Markt kam unerwartet und die sehnsüchtig erwartete Nachlieferung aus Großbritannien traf erst im Frühjahr 2002 ein. Auch später kam es in 2002 wieder zu Engpässen. Wer vorgesorgt und gebunkert hatte, war fein raus. Wer keine Ahnung von diesen Zusammenhängen hatte musste auf den Verkauf dieser Flaschen verzichten.

Im Sommer 2002 machte man dann den zweiten, noch gravierenden Fehler. Statt die Distiller’s Edition vom Hersteller aus rar und teuer zu halten, verkaufte man zumindest in Deutschland, weit unter Wert. Das Kontingent eines ganzen Jahres wurde in Deutschland binnen zwei Monten vom dankbaren Kunden aufgenommen. Doch war diese Flasche leer, gab es kaum noch Ersatz.

Doch das war nicht das Schlimmste. Der für die Distiller’s Edition verwendete Jahrgang 1986 fehlt heute für die Abfüllung des regulären Lagavulin 16 Jahre. Man hatte 2001 und 2002 ein Strohfeuer mit den Flaschen entfacht, die man für die reguläre Abfüllung in 2003 benötigt hätte.

Im Frühjahr 2002 hatte man die schwierige Situation in Großbritannien endlich erkannt und füllte einen neuen Lagavulin 12 Jahre in Fassstärke ab. Warum nur 12 Jahre und hochprozentig? Man wollte den Ruf des Lagavulin 16 Jahre mit 43% nicht demontieren und trotzdem diese Flasche teurer an den Genießer bringen. 12 Jahre erschienen zudem sinnvoll, da man 1991 die Produktion in der Brennerei wieder hoch gefahren hatte und die Lager gut gefüllt erscheinen.

Deshalb entschloss man sich zu dieser speziellen Art der Abfüllung. Leider erreichten diese Informationen über die leeren Lagerhäuser der kommenden Jahre nicht alle großen Absatzländer. Die Distributoren der Länder, die sich in 2002 nicht den 12 jährigen reservierten, hatten in 2003 ihren Händlern nichts anzubieten. Man glaubte ja noch an eine stetige Versorgung mit dem 16 jährigen. Doch sie erhielten weder 16 jährigen noch 12 jährigen. So erging es auch Deutschland.

Die Situation ist schlimm. Zahlen werden offiziell nicht genannt. Aber Schätzungen gehen davon aus, dass Deutschland bis Sommer 2004 nur 10% der Lagavulin-Menge der vorangegangenen Jahre zugeteilt bekommen hat. Der Kahlschlag in den Lagerhäusern durch die Distiller’s Edition hat eine Wüste hinterlassen. Die Durststrecke beim 16 jährigen und bei der Distiller’s Edition wird mindestens bis 2007 andauern. Erst dann sind wieder ausreichend Fässer verfügbar. Doch ob das reicht? Auf welche Weise man wieder zur alten Brennkapazität zurück fand, ist unbekannt. Die guten Verkäufe der Fassstärke und die immer jünger werdende Distiller’s Edition nagen beständig an den Fassbeständen.

Es sind keine guten Zeiten für Lagavulin-Liebhaber! The Whisky Store kann zwar viele verschiedene ‚Lagavulin-Quellen’ anzapfen, aber auch bei uns ist Lagavulin manchmal nicht verfügbar. Wir versuchen nach wie vor den Preis moderat zu halten, doch uns sollte allen klar sein, dass der Preis von Lagavulin 16J im kommenden Jahr weiter steigen wird. Eine Preiserhöhung auf etwa 60 EUR, wie in anderen Ländern bereits erfolgt, dürfte Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht bringen. Das wollen wir bei The Whisky Store nicht aus eigenen Stücken verursachen. Lieber vertrösten wir sie auf eine der kommenden Lieferungen, als über extreme Preise die Nachfrage zu regulieren.

Schauen Sie öfter ins Internet. Wenn Sie Lagavulin im Shop-System bestellen können, haben wir die Flaschen auch vorrätig. Wenn die Bestände jedoch sehr knapp sind, liefern wir nur eine Flasche pro Person bzw. Bestellung aus.

Zum Abschluss finden Sie hier die Liste der ‚vergleichbaren’, rauchigen Single Malt Whiskys von der Insel Islay. Sie haben allesamt Intensität, Feuer und Kraft, wie sie bei Lagavulin so beliebt sind. Vor allem im Abgang sind die meisten dieser Malts deutlich weicher und schonen den Gaumen.

Nicht unerwähnt bleiben soll Highland Park 18 Jahre, der für einen Orkney Malt eine erstaunliche Rauchigkeit hat und der Talisker 1989 aus der Distiller’s Selection der Classic Malts.